Pferde-Unterstände im Außenbereich zulässig?
Ein Bürger hatte auf seinem Grundstück in Ortsrandlage für zwei Kühe und ein Pferd Unterstände sowie Begrenzungen mit Elektrozäunen errichtet. Die zuständige untere Bauaufsichtsbehörde wies den Bürger darauf hin, dass diese Anlagen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegen. Da eine (nachträgliche) Genehmigung hierfür nicht möglich sei, forderte das Bauamt deren Beseitigung.
Der Bürger jedoch sah sein Grundstück, welches sich unmittelbar an die Ortsbebauung anschloss, in jedem Fall dem Innenbereich zugehörig und die baulichen Anlagen als zulässig an. Er bat den Bürgerbeauftragten um Prüfung dieser Angelegenheit und Unterstützung.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Das Bauplanungsrecht der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet grundsätzlich drei Flächenkategorien, die im Baugesetzbuch (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelt sind.
Die wichtigste Unterscheidung erfolgt zunächst zwischen Außen- und Innenbereich. Hierbei wird von der Zielstellung ausgegangen, die freie Landschaft vor Zersiedlung zu schützen und eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Daher ist es erforderlich, zwischen der freien Landschaft und den Siedlungsflächen zu unterscheiden. Aufgrund der vielfach unterschiedlichen Siedlungsstrukturen ist eine klare Grenzziehung jedoch nicht immer möglich.
Als Außenbereich werden dabei die Flächen bezeichnet, die außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen und für die kein qualifizierter Bebauungsplan besteht. Für den Außenbereich wird ein grundsätzliches Bauverbot unterstellt; zulässig sind hier nur solche Vorhaben, die ihrem Wesen nach in den Außenbereich gehören (z. B. Landwirtschaft, Kraftwerke, Forschungseinrichtungen, militärische Anlagen etc.), weshalb sie als sog. „privilegierte Vorhaben“ bezeichnet werden. Näheres hierzu regelt § 35 BauGB, in dessen Abs. 1 Nr. 1 – 8 abschließend diese grundsätzlich zulässigen Vorhaben aufgezählt werden.
Mit Innenbereich bezeichnet man die (unbeplanten) Gebiete der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Die Beurteilung von Bauvorhaben im Innenbereich richtet sich nach § 34 BauGB. Demnach ist grundsätzlich die bereits vorhandene bebaute nähere Umgebung für ein neues Bauvorhaben hinsichtlich der Art und des Maßes der Nutzung maßgebend („Einfügungsgebot“). Dabei spielt der Gebietscharakter eine ganz wesentliche Rolle.
Die dritte Kategorie wird von den Flächen gebildet, die in Geltungsbereichen von B-Plänen liegen, die also überplant wurden. Da es sich dabei in der Regel um vorhandene oder neue Siedlungsgebiete handelt, spricht man dabei auch von „beplantem“ Innenbereich im Gegensatz zum zuvor genannten „unbeplanten“ Innenbereich. Es gibt aber auch Bebauungspläne für Gebiete, die sonst zum Außenbereich gehören, z. B. für Wochenendhausgebiete, Sportplätze etc.
Nach den Ausführungen der unteren Bauaufsichtsbehörde befand sich das Grundstück, auf dem sich die Unterstände des Bürgers befanden, im Außenbereich. Ein Bebauungsplan existierte im Gebiet nicht und das Grundstück befand sich räumlich außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortslage. Diese Qualifizierung des Grundstücks war auch nach Ansicht des Bürgerbeauftragten nach Einsicht in beigezogene Unterlagen und Luftbildaufnahmen unzweifelhaft korrekt. Dass Argument des Bürgers, dass sein Grundstück ja unmittelbar an die Ortsbebauung anschloss, änderte nichts an dieser Einschätzung. Denn: die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich verläuft hinter dem letzten Haus der Ortsbebauung. Die sich anschließenden Flächen liegen regelmäßig im Außenbereich. Damit beurteilte sich die Genehmigungsfähigkeit baulicher Anlagen auf diesem Grundstück nach § 35 BauGB.
Nach § 35 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die Erschließung gesichert ist und wenn es nach der hier im konkreten Fall einschlägigen Nr. 1 „einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt“.
Die landwirtschaftliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass dem Eingriff in den zumeist naturhaft geprägten Außenbereich ein auf Dauer angelegter Betrieb gegenübersteht, dem das geplante Vorhaben zu dienen bestimmt ist. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb durch eine spezifisch betriebliche Organisation gekennzeichnet ist, dass er Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung erfordert und dass es sich um ein auf Dauer gedachtes und auf Dauer lebensfähiges Unternehmen handeln muss (BVerwG, Urt. v. 16.12.2004, Az.: 4 C 7.04). Daneben kann aber auch eine landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle ein Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sein (BVerwG, Urt. v. 27.01.1967, Az.: 4 C 41.65).
Zu den tragenden Elementen der „Landwirtschaft“ i. S. d. § 201 BauGB gehört die Absicht der Gewinnerzielung, und zwar bei Haupt- wie Nebenerwerbsbetriebsstätten (BVerwG, Urt. V. 16.12.2004, Az.: 4 C 7.04). Der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte landwirtschaftliche Betrieb muss nach Art und Umfang also grundsätzlich geeignet sein, wirtschaftlich, d.h. mit Gewinnerzielungsabsicht geführt zu werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass stets und in allen Fällen die Betriebseigenschaft und damit die Privilegierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu verneinen ist, wenn (bisher) ein Gewinn nicht erzielt und auch in absehbarer Zeit (noch) nicht zu erzielen ist. Die Gewinnerzielung ist nur ein Indiz, dem allerdings bei kleiner Nutzfläche und geringem Tierbestand erhöhte Bedeutung zukommt. In diesem Fall wird mit besonderer Aufmerksamkeit geprüft, ob eine nicht privilegierte Hobbytierhaltung aus Liebhaberei vorliegt. Fehlt es an dem Nachweis eines Gewinns, können durchaus andere Indizien für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit für die Betriebseigenschaft im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sprechen. Hierzu zählen die Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen, der Bestand an Tieren und Maschinen sowie die Betriebsform und Betriebsorganisation. Auch eine geplante Vergrößerung der Betriebsflächen oder Erhöhung der Zahl der zu haltenden und zu verkaufenden Tiere kann Anhaltspunkt für die Dauerhaftigkeit des Betriebes sein. Darüber hinaus ist zu unterscheiden, ob es sich um eine bestehende Landwirtschaft oder eine Neugründung handelt. Geht es um die Erweiterung eines bereits seit etlichen Jahren bestehenden landwirtschaftlichen Betriebes mit niedriger Rentabilität, hat die Gewinnerzielung einen geringeren Stellenwert als im Fall der beabsichtigten Neugründung einer Nebenerwerbsstelle. Handelt es sich um eine Betätigung, der nach Art und Umfang von fachkundiger Stelle attestiert wird, dass es sich um einen „regulären“, also generell lebensfähigen Betrieb handelt, indiziert bereits dieser Umstand, dass von einem nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen geführten Betrieb auszugehen ist. In diesem Fall reduzieren sich die Nachweispflichten des mitwirkungspflichtigen Bauherrn.
Kurzum: Nicht selten wird das Bestehen eines „landwirtschaftlichen Betriebes“ bloß behauptet, um eine im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nicht zulässige bauliche Nutzung zu legitimieren. Um dies zu verhindern, stellt der Gesetzgeber an den landwirtschaftlichen Betrieb, dem die Außenbereichsprivilegierung zu Teil werden soll, gewisse Anforderungen, um eine missbräuchliche Umgehung des Gesetzeszwecks zu verhindern.
Im Fall des Bürgers, der lediglich zwei Kühe und ein Pferd aus Freizeitgründen bzw. zum Eigengebrauch hielt und hierfür die Unterstände und den Weidezaun errichtet hatte, lag auch aus Sicht des Bürgerbeauftragten damit eindeutig kein Vorhaben vor, welches einem landwirtschaftlichen Betrieb diente. Die Unterstände und die Einzäunung waren damit unzulässig errichtet worden und die Beseitigungsverfügung der Unteren Bauaufsichtsbehörde begründet.
Der Bürgerbeauftragte erläuterte dem Bürger ausführlich die Rechtslage und wies zugleich, sollte der Bürger weiterhin der Meinung sein, dass sein Vorhaben zulässig sei, auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung durch das Verwaltungsgericht hin.