Miteinander sprechen – Start des Pilotprojektes „Mündliche Erörterung im Widerspruchsverfahren“
Immer wieder sind Bürgerinnen und Bürger verunsichert darüber, ob Behördenentscheidungen, die sie betreffen, auch richtig getroffen wurden. Aus Unsicherheit werden zum Teil sehr große Vorbehalte gegenüber den Verwaltungen, wenn sie mit den Erfahrungen einer mangelhaften Verständigung zwischen Bürger und Amt einhergehen.
Üblicherweise erfolgt die Kommunikation auf schriftlichem Wege, so dass der Bürger einen Bescheid erhält, gegen den er - wiederum schriftlich - Widerspruch einlegen kann. Der Widerspruch wird von der Ausgangsbehörde geprüft. Ihm wird ggf. stattgegeben oder aber ihm kann nicht abgeholfen werden.
Will nun der Bürger den Widerspruch aufrechterhalten, so werden ihm von Seiten der Widerspruchsbehörde, das ist i.d.R. die Kommunalaufsicht beim Landratsamt, die möglichen Kosten für die Bearbeitung für den Fall in Aussicht gestellt, dass dem Widerspruch nicht stattgegeben wird. In der Regel wird eine Frist benannt, bis zu der der Bürger seinen Widerspruch ohne zusätzliche Kosten zurücknehmen kann.
Nicht wenige Bürger resignieren an dieser Stelle, sie fühlen sich mitunter von der Verwaltung „bedroht“ oder „erpresst“. Diese gefühlte „Bedrohung“ durch die bürokratische (Über-)Macht führt häufig dazu, dass die Bürger ihre möglicherweise berechtigten Interessen nicht mehr wahrnehmen.
Ein Grund für die erlebte Ohnmacht liegt sicher auch in der asymmetrischen Kommunikation. Statt auf den Dialog zwischen den Beteiligten zu setzen, verbleibt es allein bei der Schriftform, die aufgrund des unterschiedlichen Wissenstands nicht auf Augenhöhe erfolgt. Der Bürger hat keine Möglichkeit, seine Beweggründe mündlich darzulegen, im Dialog mögliches Missverstehen auszuräumen und somit seine Position zu erläutern.
„Die größten menschlichen Errungenschaften sind durch Kommunikation zustande gekommen - die schlimmsten Fehler, weil nicht miteinander geredet wurde.“ (Stephen Hawking)
An dieser Stelle setzt das Pilotprojekt des Thüringer Bürgerbeauftragten an: Es hat zum Ziel, Bürgern, die gegen einen Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt haben, die Möglichkeit zu geben, ihre Argumente mündlich vortragen und erläutern zu können. Daran soll sich eine ebenfalls mündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den beteiligten Behörden anschließen. Ziel ist es, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen bzw. den Verwaltungsakt für den Bürger verständlicher und nachvollziehbarer zu machen.
Der Bürgerbeauftragte nimmt hierbei eine vermittelnde und moderierende Rolle ein. Die mündliche Erörterung schließt mit einer Würdigung des Sachverhalts (und ggf. mit einem Vermittlungsvorschlag) durch den Bürgerbeauftragten. Dadurch werden an keiner Stelle Rechte oder Möglichkeiten verkürzt, sondern lediglich Optionen für eine einvernehmliche Klärung vermehrt.
Durch die dialogische Erörterung der Sach- und Rechtslage und die gemeinsame Lösungssuche, die zeitlich zwischen der Abhilfeentscheidung der Ausgangsbehörde und dem Beginn der Widerspruchsbearbeitung durch die Widerspruchsbehörde stattfindet, können vielleicht auch die weitere Widerspruchsbearbeitung oder auch der Erlass eines Widerspruchsbescheides entbehrlich werden.
Die Vermittlung kann den Betroffenen somit Kosten und evtl. lange Verfahrensdauern ersparen. Sie kann evtl. vorhandene Missverständnisse ausräumen helfen und dazu beitragen, die behördliche Entscheidung nachvollziehbarer und vielleicht auch besser akzeptierbar zu machen.
Eine ausführliche Darstellung des Pilotprojekts mit Würdigung der juristischen Anforderungen finden Sie hier.
Die Ergebnisse des Pilotprojektes finden Sie hier.