Liegenschaftskataster und Grundbuch – Übereinstimmung angestrebt, aber unterschiedlicher Begriffsgebrauch
„Eintragungen im Liegenschaftskataster und im Grundbuch müssen doch übereinstimmen! Es kann doch nicht sein, dass zu ein und demselben Grundstück unterschiedliche Angaben gemacht werden!“ In dieser Überzeugung wandte sich ein Grundstückseigentümer an den Bürgerbeauftragten und schilderte sein Problem: Er hatte vom Katasteramt einen sog. Fortführungsnachweis erhalten. Dieser enthielt für sein Grundstück in der Rubrik ‚Nutzungsart‘ die Eintragung „Deponie oberirdisch“. Dieser Fortführungsnachweis hatte dann alsbald eine Mitteilung des Grundbuchamtes an den Bürger zur Folge: Im übersandten Grundbuchblatt für das betreffende Grundstück war aber in der Rubrik ‚Wirtschaftsart‘ die Eintragung „Betriebsfläche“ enthalten. Dies hielt der Bürger für nicht nachvollziehbar. Getragen von seiner Überzeugung, dass hier Unrecht geschehe, machte er deshalb von seinen Rechtsbehelfen Gebrauch. Gleichzeitig informierte der Bürger die Behörde darüber, dass er den Bürgerbeauftragten um Unterstützung gebeten habe, und bat die Behörde darum, „eine Mediation von neutraler Seite“ abzuwarten, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Eines ließ sich zunächst sicher sagen - so ganz falsch lag der Bürger mit seiner grundsätzlichen Überzeugung, dass das Kataster und das Grundbuch doch einheitlich sein müssten, nicht. Denn es gibt in den Bundesländern und so auch in Thüringen ausdrücklich gesonderte Rechtsvorschriften zur Erhaltung und Wahrung der Übereinstimmung zwischen dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster. Wie erklärte sich im konkreten Fall also die Verschiedenheit?
Um dem auf die Spur zu kommen, muss man sich zunächst die Unterschiede zwischen dem Liegenschaftskataster einerseits und dem Grundbuch andererseits vergegenwärtigen: Im Liegenschaftskataster werden Liegenschaften für das gesamte Landesgebiet flächendeckend und vollständig nachgewiesen. Die gesetzliche Grundlage bildet das Thüringer Vermessungs- und Geoinformationsgesetz. Das Liegenschaftskataster dient der Eigentumssicherung, der Wahrung der Rechte an Grundstücken und der Sicherheit im Grundstücksverkehr. Das Liegenschaftskataster hat die tatsächliche Nutzung eines Grundstückes nachzuweisen, und zwar durch die Verwendung ganz bestimmter, in einem Katalog verschiedener Nutzungsarten vorgegebener Begriffe. Die im Kataster nachgewiesene tatsächliche Nutzung dient hauptsächlich statistischen und steuerlichen Zwecken.
Das Grundbuch hingegen ist ein beim Amtsgericht geführtes, öffentliches Register, in dem die Wirtschafts- und Rechts- (vor allem: Eigentums)verhältnisse an Grundstücken dargelegt und festgehalten werden. Im Grundbuch erscheint zwar auch die Nutzungsart eines Grundstückes, jedoch nur in gekürzter Form unter der Rubrik ‚Wirtschaftsart‘.
Offenbar führte im vorliegenden Fall eine unterschiedliche (inhaltlich aber korrekte!) Begriffsverwendung zu Irritationen, die der Bürgerbeauftragte letztlich mit Hilfe einer ausführlichen Zuarbeit des Thüringer Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo) aufklären konnte:
Das betreffende Grundstück war seit Mitte der 1960er Jahre als Mülldeponie genutzt, dann aber Mitte der 1990er Jahre umfassend renaturiert worden; die Deponie war außer Betrieb und die Grundstücksoberfläche schon mit einer dünnen Grasschicht überzogen.
Entsprechend des für das Liegenschaftskataster geltenden Nutzungsarten-Kataloges (= Bestandteil der Thüringer Verwaltungsvorschrift für das Liegenschaftskataster - ThürVV-Lika vom 07.08.2014 (Thüringer Staatsanzeiger Nr. 34/2014 S. 1066) war für das Grundstück vom TLVermGeo nach entsprechender Inaugenscheinnahme zunächst die Nutzungsart „Grünland" eingetragen worden. Auf Grund eines schon im Vorfeld abgelaufenen ➤ Widerspruchsverfahrens war dieser Eintrag dann in „Deponie oberirdisch" geändert worden.
Da aber nach § 6 Abs. 3a Grundbuchverfügung im Bestandsverzeichnis der Grundbücher „nur“ die übergeordnete Wirtschaftsart der Grundstücke geführt wird, war dort „Betriebsfläche" eingetragen worden. Die gegenwärtig verwendeten und im Grundbuch einzutragenden Wirtschaftsarten sind auf Basis des Thüringer Nutzungsartenverzeichnisses definiert und festgelegt als: Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche, Erholungsfläche, Verkehrsfläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, Wasserfläche, Historische Anlage, Friedhof, Unland. Übereinstimmende Bezeichnungen der ‚tatsächlichen Nutzung‘ (Liegenschaftskataster) und der ‚Wirtschaftsart‘ (Grundbuch), wie vom Bürger gewünscht, können aufgrund der Vielzahl verschiedener Nutzungsarten im Vergleich zu den eben genannten übergeordneten Wirtschaftsarten folglich nicht erreicht werden.
Das TLVermGeo führte in seiner Stellungnahme weiter aus, dass die Nutzungsart „Deponie oberirdisch" (= Fläche der Entsorgung von festen Abfallstoffen) entsprechend den geltenden Verwaltungsvorschriften der Wirtschaftsart „Betriebsfläche" zugeordnet sei. „Betriebsflächen" seien begrifflich festgelegt als unbebaute Flächen, die gewerblich, industriell oder für Zwecke der Ver¬- und Entsorgung genutzt werden. Dies entspräche im vorliegenden Fall den tatsächlichen Gegebenheiten. Alle übrigen möglichen Wirtschaftsarten (s.o.) kämen für die tatsächliche Nutzung „Deponie oberirdisch" definitionsgemäß nicht in Betracht. Die Eintragung der Wirtschaftsart „Betriebsfläche" im Grundbuchblatt anhand des Fortführungsnachweises sei somit schlüssig und nachvollziehbar.
Es handele sich bei den Bezeichnungen zur „Tatsächlichen Nutzung“ bzw. zur „Wirtschaftsart“ folglich nicht um widersprüchliche, sondern um einander zugeordnete Angaben. Bei der Eintragung der tatsächlichen Nutzungsart in das Liegenschaftskataster handele es sich um eine rein informatorische Beschreibung, die keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfalte. Änderungen im Bestand oder im Eigentum des Bürgers seien durch die Eintragung nicht zu befürchten.
Aufgrund des Hinweises des Bürgers, dass es sich aber um eine stillgelegte Deponie (Deponie in Nachsorge) handele, werde jedoch der Zusatz „Außer Betrieb, stillgelegt, verlassen" in das Liegenschaftskataster übernommen; die grundbuchliche Bezeichnung der Wirtschaftsart bleibe jedoch entsprechend der erläuterten Zuordnung als „Betriebsfläche" erhalten.
Diese Rückäußerung war aus Sicht des Bürgerbeauftragten nicht nur nicht zu beanstanden, sondern machte die Hintergründe für die behördliche Vorgehensweise nachvollziehbar verständlich und auch deutlich, dass die rechtlichen Grundlagen keine andere Vorgehensweise zulassen. Auch der Bürger betrachtete sein Anliegen als sehr gut geklärt.
(Stand: November 2015)