Recht auf einen Bebauungsplan?
Ein Bürger hatte sich in einer baurechtlichen Angelegenheit an den Bürgerbeauftragten gewandt. Er hatte zusammen mit seiner Schwester ein Grundstück am Rande einer kleineren Ortschaft geerbt. Da die beiden Erben das Grundstück jedoch nicht selber bewirtschaften wollten, planten sie einen Verkauf an Interessenten, die an dieser Stelle ein Wohnhaus errichten wollten.
Auf die Anfrage des Bürgers beim zuständigen Bauamt, ob auf diesem Grundstück überhaupt ein Wohnhaus errichtet werden kann, erhielt er die Antwort, dass das Grundstück im sogenannten Außenbereich liege, in dem eine Bebaubarkeit nur über ein Planungsverfahren der Gemeinde erreicht werden könne.
Da der Bürgermeister der Gemeinde dem Bürger mündlich in Aussicht gestellt hatte, das Grundstück mittels einer Ergänzungssatzung in den bestehenden Bebauungsplan des Ortes mit einzubeziehen, beauftragte der Bürger ein Planungsbüro mit den entsprechenden Vorarbeiten. Gleichzeitig bat er den Bürgerbeauftragten um Überprüfung, ob das vom Bürgermeister in Aussicht gestellte Verfahren überhaupt geeignet ist, das geplante Vorhaben auch zu verwirklichen.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Die Bauleitplanung ist das wichtigste Planungswerkzeug zur Lenkung und Ordnung der städtebaulichen Entwicklung einer Gemeinde in Deutschland. Sie wird zweistufig in einem formalen bauplanungsrechtlichen Verfahren vollzogen, das im Baugesetzbuch (BauGB) umfassend geregelt ist. Zunächst wird in der vorbereitenden Bauleitplanung ein Flächennutzungsplan für das gesamte Gemeindegebiet aufgestellt (§§ 5–7 BauGB). In der verbindlichen Bauleitplanung werden sodann Bebauungspläne für räumliche Teilbereiche des Gemeindegebiets aufgestellt (§§ 8–10 BauGB). Während der Flächennutzungsplan nur behördenverbindliche Darstellungen über die Grundzüge der Bodennutzung enthält, regeln die Festsetzungen der Bebauungspläne die bauliche und sonstige Nutzung von Grund und Boden detailliert und allgemeinverbindlich. Die Bebauungspläne bestimmen somit wesentliche bauplanungsrechtliche Voraussetzungen, unter denen die Bauaufsichtsbehörden für Bauvorhaben Baugenehmigungen erteilen.
Für die Aufstellung der Bauleitpläne sind die Gemeinden in kommunaler Selbstverwaltung zuständig (sog. kommunale Planungshoheit). Im Rahmen der Gesetze können sie somit ihre städtebauliche Entwicklung eigenverantwortlich steuern. Die Bauleitplanung rechtfertigt sich jedoch nicht bereits aus sich selbst heraus. Vielmehr darf die Gemeinde von ihrer Planungsbefugnis nur dann Gebrauch machen, wenn dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung auch erforderlich ist, § 1 Abs. 3 BauGB. Hier ist auch geregelt, dass auf die Aufstellung (und auch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung) von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen kein Anspruch besteht und dass ein solcher Anspruch auch nicht durch Vertrag begründet werden kann.
Umgekehrt folgt aus § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB ein Verbot zur Aufstellung von Bauleitplänen, wenn ein solches Erfordernis eben nicht gegeben ist. Grundsätzlich hat die Gemeinde bezüglich ihrer Städtebaupolitik einschließlich örtlicher Verkehrspolitik in ihrer Planungshoheit zwar einen weiten Gestaltungsspielraum. Denn welche städtebaulichen Ziele sich eine Gemeinde setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Entscheidend ist dabei aber, ob die Planung zu einer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung beiträgt. Als geeignete städtebauliche Gründe für das „Ob“ der Planung kommen jedoch allein öffentliche, nicht hingegen private Belange in Betracht.
Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sind z.B. städtebauliche Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. Davon ist u.a. auszugehen, wenn eine planerische Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen (vgl. BVerwG, B.v.11.5.1999-4 BN 15.99). Das ist zwar nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Bauwunsch eines Einzelnen den Anlass für die Planung bietet. Ob eine mit § 1 Abs. 3 BauGB nicht vereinbarte „Gefälligkeitsplanung“ aber vorliegt, hängt im Ergebnis von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (VG München, Urteil v. 17.05.2016 – M 1 K 16.337).
Der Bürgerbeauftragte informierte den Bürger zunächst über das Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen und wies darauf hin, dass, sofern bezüglich des geplanten Vorhabens des Bürgers eine solche o.g. Gefälligkeitsplanung festgestellt werden sollte, dies zur Rechtswidrigkeit der betreffenden Satzung der Gemeinde und ihrer Ungültigkeitserklärung führen könne, wobei beides jedoch im Rahmen einer Normenkontrollklage vor dem Verwaltungsgericht festgestellt werden müsste.
Da hier die Gemeinde die Aufnahme des fraglichen Grundstücks in den bestehenden Bebauungsplan mittels der Verabschiedung einer Ergänzungssatzung aber bereits angekündigt hatte, bat der Bürgerbeauftragte die zuständige Bauaufsichtsbehörde um Prüfung, ob in Abhängigkeit von den Gegebenheiten vor Ort über eine Ergänzungssatzung (§ 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB) überhaupt eine Bebaubarkeit des Grundstücks würde erreicht werden können.
Die Bauaufsichtsbehörde wies in ihrer Antwort darauf hin, dass eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 BauGB) nur in Aussicht gestellt werden könne, wenn die Gemeinde hierfür die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen schaffe. In diesem Fall wäre dies die Aufstellung eines Bebauungsplanes oder eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Die Ergänzungssatzung sah die Bauaufsichtsbehörde im Ergebnis aber nicht als ein geeignetes Planungsinstrument, da die Erschließung des konkreten Grundstücks hinsichtlich Zufahrt, Wasser und Abwasser bisher noch nicht gesichert war.
Die Möglichkeit der Einbeziehung von Außenbereichsflächen im Rahmen einer Ergänzungssatzung findet ihre Grenze nämlich dort, wo entweder die prägende Wirkung der angrenzenden Bebauung endet oder durch die Einbeziehung der Flächen ein umfassendes Planungsbedürfnis entsteht. Dies ist in der Regel immer dann der Fall, wenn zur Umsetzung der Bebauung Verkehrsanlagen und/oder Infrastrukturanlagen (Wasser, Abwasser, Strom etc.) zu planen sind.
Der Bürgerbeauftragte informierte den Bürger daher darüber, dass die geplante Lösung über eine Ergänzungssatzung unter den gegebenen Bedingungen derzeit nicht umsetzbar sei. Da das Bauaufsichtsamt auch darauf hingewiesen hatte, dass die betreffende Gemeinde mit dem bestehenden Bebauungsplan über genügend Baugrundstücke verfüge und eine weitere Zersiedelung der Landschaft und eine Bebauung im Außenbereich grundsätzlich nicht im öffentlichen Interesse liege, konnte er dem Bürger auch keine große Hoffnung auf eine Genehmigungsfähigkeit seiner Planung für das Grundstück machen.