Ausbildung im Jugendwerkhof: bei der Rentenversicherung als Beitragszeit berücksichtigungsfähig
Schon Anfang 2022 hatte sich eine Bürgerin an den Bürgerbeauftragten gewandt und vorgetragen, bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Altersrente gestellt zu haben. Hierbei war im Versicherungsverlauf der Bürgerin eine Lücke von mehreren Monaten festgestellt worden. So war zum Beispiel die Ausbildung der Bürgerin zur Metallverarbeiterin in der Mitte der 1970er-Jahre nicht aufgeführt. Die Ausbildung hatte sie während ihres Aufenthaltes in einem Jugendwerkhof absolviert. Nachweise über die Ausbildung hatte die Bürgerin allerdings nicht mehr.
Sie wandte sich daher an den Bürgerbeauftragten und bat ihn um Unterstützung bei der Anerkennung der Ausbildungszeit als rentenrelevante Zeit.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
In einem ersten Schritt der Bearbeitung hatte sich der Bürgerbeauftragte an die in den Jugendwerkhof einweisende Behörde (hierbei handelte es sich in der Regel um das Jugendamt am Wohnort des Betroffenen) gewandt. Im dortigen Kreisarchiv konnte tatsächlich der Vorgang der Bürgerin gefunden werden. Nach Zustimmung der Bürgerin wurde dem Bürgerbeauftragten der Vorgang zur Verfügung gestellt. Nach umfassender Recherche, auch mit Unterstützung des Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, konnte herausgearbeitet und belegt werden, dass die Bürgerin während des Aufenthaltes im Jugendwerkhof eine Qualifizierung zur Metallverarbeiterin gemacht hat. Ein Qualifikationsnachweis oder Zeugnis war in der Akte allerdings nicht zu finden.
Deswegen wandte sich der Bürgerbeauftragte in einem nächsten Schritt an das Kreisarchiv des Kreises, in welchem der Jugendwerkhof früher seinen Sitz gehabt hatte. Leider konnten dort keine Qualifikationsnachweise oder Arbeitszeugnisse mehr gefunden werden, da nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist für DDR-Lohn- und Gehaltsunterlagen zum 31.12.2011 inzwischen Abschriften und Zeugnisse regulär vernichtet wurden. So auch die Unterlagen des früheren Jugendwerkhofes.
Da dem Bürgerbeauftragten aber auch ohne Qualifikationsnachweis oder Teilfacharbeiterzeugnis nunmehr Unterlagen vorlagen, welche die Ausbildung während des Aufenthaltes im Jugendwerkhof belegten, ließ er diese der Deutschen Rentenversicherung zukommen und bat um Prüfung, ob anhand der vorliegenden Unterlagen eine Anerkennung von Ausbildungszeiten erfolgen kann.
Die Deutsche Rentenversicherung prüfte den Vorgang und teilte dem Bürgerbeauftragten zunächst in einer Zwischeninformation mit, dass Zeiten während des Lehr- oder Qualifikationsverhältnisses im Jugendwerkhof bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder bis kurz danach als Beitragszeiten anerkannt werden. Demzufolge sollte auch der Zeitraum der Qualifizierung der Bürgerin während des Aufenthaltes im Jugendwerkhof nunmehr geprüft werden.
Anfang des Jahres 2023 erhielt der Bürgerbeauftragte von der Deutschen Rentenversicherung dann die erfreuliche Nachricht, dass der Bürgerin die Ausbildungszeit im Jugendwerkhof als Beitragszeit anerkannt wurde. Die Lücke im Rentenversicherungsverlauf konnte so im Ergebnis um 15 Monate geschlossen werden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Mai 2023