Gemeindlicher Spielplatz auf dem Nachbargrundstück oder „der jahresdurchschnittliche Ballüberflug“
Eine Bürgerin suchte Hilfe beim Bürgerbeauftragten, weil sie sich als direkte Grundstücksnachbarin eines gemeindlichen Spielplatzes beeinträchtigt sah. Auf dem Gelände würden Kinder auch Fußball spielen oder Frisbeescheiben nutzen und diese Spielgeräte flögen regelmäßig in ihren Vorgarten. Die Kinder würden dann die Grundstücksumfriedung überklettern und sich ihre Spielgeräte zurückholen. Hierunter leide nicht nur ihr Vorgarten. Auch die Grundstücksumfriedung könne Schaden nehmen, vor allem aber auch die Kinder selbst. Unabhängig von der sich dann stellenden Haftungsfrage war der Bürgerin daran gelegen, dass sich die Kommune der Problematik stellt, sie bewertet und Maßnahmen ergreift, die die geschilderte Grundstücksbeeinträchtigung unterbinden, z.B. durch ein Schild mit der Vorgabe, dass Ballspiele auf dem Gelände verboten sind.
Der Bürgerbeauftragte trug der Kommune das Anliegen vor. Dieses, so die Gemeinde, sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar. Zu Abhilfemaßnahmen sah sie sich dennoch außerstande. Denn Spielplätze, so die Begründung, dienten dem Zweck, Kindern und Jugendlichen wohnortnah sichere Bewegungs- und Begegnungsräume zu bieten. Hierzu gehöre naturgemäß auch das Ball- und Bewegungsspiel. Derartige Nutzungen entsprächen der bestimmungsgemäßen Verwendung einer öffentlichen Spielfläche und könnten nicht untersagt werden. Auch ein offizielles Verbot einzelner üblicher Spielformen (z. B. Ball- oder Frisbeespiel) sei mit der Funktion und Zielsetzung des Spielplatzes nicht vereinbar. Und die Errichtung eines zusätzlichen höheren Zauns längs der Grundstücksgrenze erscheine weder städtebaulich vertretbar noch verhältnismäßig. Eine solche Maßnahme würde zu einer erheblichen optischen Beeinträchtigung des Spielplatzes führen, ohne die geschilderte Problematik zuverlässig ausschließen zu können. Zudem sei der damit verbundene Kostenaufwand nicht gerechtfertigt.
Lösungsansatz und Ergebnis:
Diese Beurteilung der Gemeinde mochte aus deren Sicht nachvollziehbar sein. Aber sie wirft auch die Frage auf, ob man als Nachbar eines öffentlichen Spielplatzes schutzlos ist und sich alles gefallen lassen muss? Nein, natürlich nicht. Im Fall galt zu unterscheiden:
In Anbetracht der in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes und Art. 91 Abs. 1 + 2 der Thüringer Landesverfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltung, die den Gemeinden die Befugnis gibt, alle örtlichen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu verwalten, war eine Einwirkung des Bürgerbeauftragten auf die Gemeinde mit dem Ziel, dass doch Maßnahmen ergriffen werden, rechtlich nicht zulässig.
Der Bürgerbeauftragte konnte die Bürgerin allerdings darauf hinweisen, dass im gegebenen Fall unter Umständen in analoger Anwendung des § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein sog. öffentlich-rechtlicher Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch in Betracht komme. Denn das Eigentum ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt. Deshalb gibt es Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage sich ein (Grundstücks-)Eigentümer gegen Beeinträchtigungen seines Eigentums zur Wehr setzen kann. Einen solchen Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gibt es im Verhältnis zu anderen privaten Grundstückseigentümern, aber auch gegenüber „staatlichen“ Nachbarn. So haben sich Gerichte bereits mehrfach mit Fällen befasst, in denen von einem gemeindlichen Sportplatz fortlaufend Bälle in Nachbars Garten flogen (und zurückgeholt wurden) und mit der Frage, ob die Gemeinde als Betreiberin des Sportplatzes etwas dagegen tun muss und wenn ja, was.
Im gegebenen Fall ist die rechtliche Situation genauso: Von einem kommunal betriebenen Spielgelände gelangen durch die bestimmungsgemäße Nutzung fortlaufend Spielgeräte in Nachbars Garten und werden dann zurückgeholt.
Entscheidende Frage ist jeweils, in welchem Umfang den Nachbarn im nachbarlichen Miteinander eine Duldungspflicht trifft bzw. ab wann ihm eine Hinnahme der Beeinträchtigungen seines Eigentums nicht mehr zugemutet werden kann. Das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat beispielsweise geurteilt, dass ein (Zitat) „jahresdurchschnittlicher Ballüberflug“ von mehr als einem Ball pro Woche zu einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung führe, zu deren Duldung der Nachbar nicht verpflichtet sei (Urt. v. 23.11.2015, Az.: 12 U 184/14).
Nach diesen Hinweisen musste die Bürgerin nun erst einmal für sich herausfinden, wie oft der sie belastende „Ballüberflug“ tatsächlich stattfindet. Im Ergebnis dessen kann sie dann für sich entscheiden, ob sie gewillt ist, die gegebenen Umstände hinzunehmen, oder ob sie dagegen vorgehen will. Für diesen Fall empfahl ihr der Bürgerbeauftragte rechtsanwaltliche Beratung.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir ggf. auf eine detaillierte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2025




