Was Recht ist, muss Recht bleiben - Bußgeldbescheide zurückgenommen!
Mehrere Bürgerinnen suchten Rat und Unterstützung beim Bürgerbeauftragten, weil die Vorgehensweise des Landratsamtes ihres Heimatkreises unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht verständlich war. Worum ging es? Alle Frauen waren während der Covid-19-Pandemie in Gemeinschaftseinrichtungen tätig und deshalb gem. § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz verpflichtet, auf Anforderung einen Impf- bzw. Genesenen-Nachweis oder aber ein ärztliches Zeugnis vorzulegen, aus dem sich eine Kontraindikation gegen die Impfung ergibt. Kurz: Es bestand für sie die sogenannte „Impfpflicht“. Trotz dieser entsprechenden behördlichen Aufforderung legten diese Bürgerinnen den geforderten Nachweis nicht vor.
Dieses Verhalten hatte der Gesetzgeber als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Also erhielten die Betroffenen vom Landratsamt als zuständiger Ordnungsbehörde im Sommer 2022 jeweils Bußgeldbescheide. Gegen diese Bußgeldbescheide hatten alle fristgerecht Einspruch eingelegt. Daraufhin passierte jedoch – gar nichts, und zwar bis zum Sommer 2025. Dann riss den Bürgerinnen der Geduldsfaden und sie machten geltend, es könne doch nicht sein, dass ein solcher Bußgeldbescheid trotz Einspruchs weder zurückgenommen noch darüber verbindlich entschieden werde und damit ungeklärt „in der Welt“ bleibe. Der Bürgerbeauftragte, so baten sie, möge sich dieser Angelegenheit annehmen.
Lösungsansatz und Ergebnis:
Der Bürgerbeauftragte richtete sein Augenmerk zunächst auf die rechtliche Situation. Und die war im gegebenen Fall eindeutig:
In § 69 Abs. 2 Satz 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) heißt es nämlich: „Ist der Einspruch zulässig, so prüft die Verwaltungsbehörde, ob sie den Bußgeldbescheid aufrechterhält oder zurücknimmt.“ Weiter heißt es dann in § 69 Abs. 3, 1. Halbsatz: „Die Verwaltungsbehörde übersendet die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht, wenn sie den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt und nicht nach Absatz 1 Satz 1 [= Verwerfung wegen Unzulässigkeit] verfährt.“
Mit diesen sehr klaren Festlegungen bringt der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck, dass ein „Im-Raum-Stehen“ des mit dem Bescheid erhobenen Vorwurfs ausdrücklich nicht gewollt ist, was sich zwanglos aus grundsätzlichen rechtsstaatlichen Erwägungen erklärt: Wenn der Staat dem Bürger rechtswidriges Verhalten vorhält, hat der Bürger einen elementaren Anspruch darauf, dass verbindlich geklärt wird, ob dieser ihm gemachte Vorwurf berechtigt oder unberechtigt war/ist.
Die Behörde muss sich also entscheiden, ob sie auf den eingelegten Einspruch hin den erhobenen Vorwurf der Begehung einer Ordnungswidrigkeit aufrechterhält oder aber fallen lässt. Was sie nicht darf, ist, die Sache „liegen zu lassen“, denn dadurch wird der von dem Bescheid betroffene Bürger praktisch um den ihm zustehenden Rechtsschutz gebracht.
Soweit die Paragraphen. Die Lebenswirklichkeit war im gegebenen Fall aber auch noch da. Denn die „Impfpflicht“ für die Mitarbeiter in Gemeinschaftseinrichtungen sollte seinerzeit ‚nur‘ den Auftakt bilden für die allgemeine Impfpflicht für alle Bürger. Diese wurde vom Gesetzgeber letztlich dann aber doch nicht eingeführt. Und eben dies ließ das Landratsamt davon abrücken, das Verfahren bei den erlassenen Bußgeldbescheiden weiter zu betreiben.
Dies war zwar wohl „gut gemeint“, wegen der eindeutigen rechtlichen Vorgabe zum Verfahren letztlich aber auch keine Lösung, die so hätte stehenbleiben können. Der Bürgerbeauftragte wandte sich daher an den zuständigen Landrat und wies auf die eindeutige rechtliche Situation und die deshalb bis dato untragbare Handhabung hin. Daraufhin teilte das Landratsamt mit, der Sicht des Bürgerbeauftragten beizutreten und die Bescheide sämtlich zurückzunehmen.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir ggf. auf eine detaillierte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2025




