Weiterhin großes Interesse an Unterstützung und Moderation angesichts manch bürokratischer Überforderung
Thüringer Bürgerbeauftragter übergibt seinen Tätigkeitsbericht für 2017 an den Thüringer Landtag
Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen, Dr. Kurt Herzberg, hat heute (14. März 2018) seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2017 an den Präsidenten des Thüringer Landtags, Christian Carius, überreicht.
Der Bericht informiert u.a. über Fallzahlen und die Arbeitsweise des Bürgerbeauftragten. Danach wurde in 2017 der Bürgerbeauftragte bei 741 Anliegen um Unterstützung gebeten. Die Anzahl der Neueingänge entspricht damit dem Niveau des Vorjahres. Fast 70 Prozent der Anliegen wurden mündlich im direkten Gespräch bei Sprechtagen oder per Telefon vorgebracht.
Soziale Angelegenheiten stellen mit 29,1 Prozent den größten Anteil der vorgetragenen Anliegen dar. Hierzu gehören Fälle aus den Themenfeldern SGB II (sogenannte Hartz IV-Leistungen), Grundsicherung im Alter, Gesundheit, Behinderung, Probleme mit Krankenkassen, Wohnen sowie Anliegen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Mit 22,3 Prozent bilden Anliegen aus dem Sachgebiet Ordnungsrecht/Inneres/Verwaltung den zahlenmäßig zweitgrößten Themenbereich. Hierunter fallen Schwerpunkte wie Dienstrecht, aufenthaltsrechtliche Fragen, Friedhofswesen, Gewerbeaufsicht, Gnadenrecht, Melde-, Pass- und Personenstandswesen, Polizei, Staatsangehörigkeits- und Staatshaftungsfragen sowie der Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts.
735 Anliegen wurden in 2017 abgeschlossen. Dabei konnte der Bürgerbeauftragte bei 20,4 Prozent der Fälle das Problem im Sinne des Bürgers lösen. Hinzu kommen 23 Prozent, bei denen die erfragten Informationen gegeben werden konnten. Bei weiteren 14,4 Prozent wurde die Angelegenheit entweder vom Bürgerbeauftragten aufgenommen und direkt an die zuständige Stelle weitergeleitet (5,4 Prozent) oder dem Bürger wurde die zuständige Stelle benannt, an die er sich dann selbst wenden konnte (9 Prozent). Somit haben in fast 60 Prozent der Anliegen die Bürger unmittelbar die erwartete Unterstützung und Hilfe erfahren. Bei 33 Prozent der Anliegen konnte der Bürgerbeauftragte dem Problem nicht unmittelbar abhelfen. Er prüfte aber den Sachverhalt und erläuterte den Bürgerinnen und Bürgern das Handeln der Verwaltung.
Anlässlich der Übergabe seines Berichts an den Landtag zieht der Bürgerbeauftragte folgendes Fazit:
„Das ‚Kerngeschäft‘ des Bürgerbeauftragten ist die Einzelfallarbeit für die Bürgerinnen und Bürger mit ihren oft sehr persönlichen und auch existenziellen Problemen. Ich bin froh, dass ich in vielen konkreten Angelegenheiten helfen konnte – durch Information, Erklärung und Moderation zwischen den betroffenen Menschen und der zuständigen Verwaltung.
Die Gesamtschau auf die Einzelfälle lässt aber auch grundsätzliche Probleme und Fragen erkennen:
So führt z.B. die fortschreitende Einführung von Gemeinschaftsschulen zu einer Vielzahl von Problemen, wenn es darum geht, die Kostenerstattung bei der Schülerbeförderung rechtssicher umzusetzen (vgl. S. 106ff). Bei einem Schulträger vermute ich sogar, dass über Jahre hinweg routinemäßig rechtswidrige Bescheide erlassen worden sind.
Für die Betroffenen noch schwerer wiegt das Problem, dass der Unterricht von Schülern bei langer Krankheit oder Behinderung in Thüringen nur unzureichend gewährleistet ist. Dies ist umso bedauerlicher, als Kinder und Eltern in einer solchen Situation bereits besonders belastet sind. Kommt dann noch ein langer Unterrichtsausfall hinzu, sehen sich Eltern nicht genügend unterstützt und fürchten um die schulische und berufliche Zukunft ihrer Kinder (vgl. S. 103ff).
Dringenden Handlungsbedarf sehe ich beim Thema Abwasser. Die Bürgerinnen und Bürger vor allem im ländlichen Raum sind nicht selten überfordert, wenn sie mit Fristsetzung aufgefordert werden, eigene Kleinkläranlagen zu errichten. Sie sind zudem verunsichert, wenn die Politik gleichzeitig z.B. über Gruppenlösungen und die Verantwortung der Aufgabenträger diskutiert, ohne die gesetzlichen Grundlagen hierfür zu schaffen (vgl. S 100ff).
Eine sehr erfreuliche Entwicklung war bei der Bearbeitungsdauer und der Transparenz bei der Anerkennung ausländischer Schulabschlüsse zu beobachten, wenngleich hier noch deutliche Rückstände aufzuarbeiten sind (vgl. S. 108ff).“
Im Tätigkeitsbericht werden darüber hinaus auch konkrete Einzelfälle vorgestellt (Beispiele dazu in der Anlage zu dieser Pressemitteilung).
Herzbergs Resümee: „Der Jahresbericht informiert über das ‚Kerngeschäft‘ der Einzelfallarbeit und von dem, was erreicht werden konnte. Er zeigt Problemkreise auf, die von der Politik aufgegriffen werden sollten. Er berichtet von meinen Bemühungen, Verwaltungshandeln bürgerfreundlicher zu gestalten und reflektiert schließlich darüber, wie das Amt des Bürgerbeauftragten weiterentwickelt werden kann.“
Über den Bürgerbeauftragten des Freistaats Thüringen
Der Thüringer Bürgerbeauftragte hilft Bürgerinnen und Bürgern in allen Fällen, in denen sie von einer Handlung der öffentlichen Verwaltung betroffen sind. Jeder hat das Recht, sich mit seinem Anliegen unmittelbar schriftlich oder mündlich an den Bürgerbeauftragten zu wenden. Der Bürgerbeauftragte befasst sich mit den von Bürgern an ihn herangetragenen Wünschen, Anliegen und Vorschlägen und hilft ihnen im Umgang mit Behörden. Er wirkt auf eine schnelle, unbürokratische und einvernehmliche Erledigung der Bürgeranliegen hin. Sofern der Bürgerbeauftragte nicht zuständig ist, leitet er das Anliegen an die entsprechende Stelle weiter. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre, einmalige Wiederwahl ist zulässig.
Pressekontakt:
Dr. Stephan Zeidler
Tel.: 0361 57 31138 71
E-Mail: stephan.zeidler@buergerbeauftragter-thueringen.de
Anlage zur Pressemitteilung des Thüringer Bürgerbeauftragten vom 14.03.2018
Ausgewählte Fallbeispiele:
„Nachgehender Leistungsanspruch – Bürgerbeauftragter verhilft zu Krankengeld“ (S. 45ff)
Eine Bürgerin bat den Bürgerbeauftragten um Unterstützung, da ihr in Folge einer Erkrankung fristlos gekündigt wurde. Da sie keine Rechtsmittel gegen die offensichtlich rechtswidrig rückwirkend datierte Kündigung einlegte, verweigerte ihre Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld. Durch die Vermittlung des Bürgerbeauftragten konnte der Betroffenen doch noch zu ihrem Recht verholfen werden, sodass sie letztlich das ihr zustehende Krankengeld erhielt.
„Anerkennung von DDR-Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen auch nach 27 Jahren deutscher Einheit aktuell“ (S. 52f)
Eine vor 1989 ausgebildete Kindergärtnerin wollte nach langer Unterbrechung wieder in ihrem alten Beruf arbeiten. Ihr DDR-Abschluss fand aber nicht ohne Weiteres Anerkennung. Die in den 1990er Jahren durchgeführten Fortbildungsprogramme werden nicht mehr angeboten. Der Bürgerbeauftragte prüfte die Rechtlage und empfahl der Bürgerin, beim Thüringer Bildungsministerium die Anerkennung ihres Fachschulabschlusses zu beantragen. Nach wenigen Monaten war die Prüfung dort abgeschlossen und die zufriedene Bürgerin konnte wieder in ihrem erlernten Beruf arbeiten.
„Schäden an kommunalen Straßen und Wegen durch Bahnstreckenausbau“ (S. 59f)
Mehrere Anwohner der Bahnstrecke Nordhausen – Erfurt beklagten sich, dass in Folge des Ausbaus der Strecke zahlreiche Wege- und Straßenabschnitte in ihrer Gemeinde durch den Bau-Schwerlastverkehr stark beschädigt worden seien. Inzwischen waren die Bauarbeiten abgeschlossen und die betroffenen Anwohner befürchteten, dass sie nun mit den Schäden leben müssten. Der Bürgerbeauftragte nahm sich des Falls an und setzte sich mit der zuständigen Gemeinde in Verbindung. Diese teilte dann mit, dass sie inzwischen mit der Deutschen Bahn wegen der Beseitigung der Schäden im Gespräch sei. Bereits wenige Wochen später erreichte den Bürgerbeauftragten die Nachricht, dass die Schäden an Straßen und Wegen behoben seien.
„Abwasserbeitrag für Schrottimmobilie?“ (S. 66f)
Die Erbin eines sehr alten und baufälligen Hauses wurde aufgefordert, das betreffende Grundstück an die Abwasserbeseitigungsanlage anzuschließen. Das Haus war unbewohnt. Es entstand kein Abwasser. Nur der Garten wurde gewässert und die zukünftige Nutzung war völlig ungewiss. Der Bürgerbeauftragte wandte sich an den Zweckverband und erreichte dort eine Prüfung des Falls. Letztlich konnte der Bürgerin mitgeteilt werden, dass ein Abwasseranschluss nicht notwendig sei, da keine Abwässer eingeleitet werden. Somit konnten der Bürgerin die hohen Anschlusskosten erspart werden.
„Goodbye Adolf“ – Einsatz des Bürgerbeauftragten verhilft zu Namensänderung“ (S. 78f)
Ein Bürger kämpfte seit Jahren darum, seinen zweiten, ungeliebten Vornamen „Adolf“ loszuwerden. Nach Klärung der Rechtslage wandte sich der Bürgerbeauftragte an das zuständige Landratsamt. In einem von ihm moderierten Gespräch zwischen Bürger und Behörde konnte der Mann seine Beweggründe glaubhaft darlegen und zuvor aufgetretene Missverständnisse konnten ausgeräumt werden. Dem Antrag wurde daraufhin entsprochen. Der Bürger erhielt neue Personaldokumente ohne den Vornamen „Adolf“. Er bedankte sich ausdrücklich für die Unterstützung durch den Bürgerbeauftragten.
„Zustellung von Behördenpost durch private Dienstleister – was Bürger dazu wissen sollten“ (S. 87f)
Wiederholt haben sich Bürger beschwert, dass sie wichtige Schreiben von Behörden, z.B. Finanzämtern, durch private Postdienstleister nicht oder verspätet erreicht hätten. Damit hätten bestimmte Fristen nicht mehr eingehalten werden können. Der Bürgerbeauftragte griff die Antwort auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage auf und informierte über die Regelungen in der Abgabenordnung. In begründeten Fällen sollten sich Betroffene z.B. an das Finanzamt wenden und auf das Problem aufmerksam machen. Grundsätzlich gilt: Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Schreibens und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
„Was lange währt, wird endlich gut! Oder: Nach 27 Jahren wird Grundstückskauf ermöglicht“ (S. 94f)
Unglaubliche 27 Jahre bemühte sich ein Bürger um den Zukauf eines Wegegrundstücks als Zugang zu seinem Garten. Gefangen zwischen den Mühlen der zuständigen Verwaltungen wurde der Fall hin und her geschoben. Durch die Vermittlung des Bürgerbeauftragten konnten die Gründe für die Verzögerungen geklärt werden. Er wandte sich daraufhin an das zuständige Thüringer Finanzministerium und erreichte dort schließlich, dass bestehende kommunikative Hindernisse zwischen den Behörden ausgeräumt und der Grundstücksverkauf nun vollzogen werden konnte. Dank des sehr langen Atems des Betroffenen konnte der Fall schließlich zu einem positiven Ende geführt werden.
Download des Jahresberichts 2017