„Vertrauen auf dem Prüfstand“ - Bürgerbeauftragter übergibt Tätigkeitsbericht an den Thüringer Landtag
Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen, Dr. Kurt Herzberg, hat heute seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz an die Präsidentin des Thüringer Landtags, Birgit Keller, übergeben. Der Bericht gibt Auskunft über Fallzahlen und Ergebnisse, stellt Einzelfälle bespielhaft vor und informiert über die Arbeit des Bürgerbeauftragten.
Auch für den Bürgerbeauftragten spielte die Corona-Pandemie im Berichtsjahr eine wichtige Rolle. Fast jeder elfte Fall hatte einen inhaltlichen Bezug zu den Regelungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens.
„Die drastischen Einschränkungen, die im vergangenen Jahr verordnet wurden, haben das Vertrauen der Menschen in die Politik nachhaltig auf die Probe gestellt“, so Herzberg. „Welche Auswirkungen diese Bewährungsprobe für den demokratischen Rechtsstaat hat, ist derzeit noch nicht absehbar“. Er appellierte daher an die politischen Entscheidungsträger, deutlich mehr als bisher mit den Menschen in den Dialog zu treten. Herzberg weiter: „Dialog heißt Hören und Gehörtwerden, Entscheidungen erklären, Kritik üben und auch Kritik aushalten. Dialog gelingt aber nur, wenn das Gegenüber respektiert wird und die Erwartungen aneinander nicht unrealistisch überhöht sind.“ Es sei seine langjährige Erfahrung, dass sich die Akzeptanz von Demokratie und der gesellschaftliche Zusammenhalt verbessern würden, wenn sich die Betroffenen wahr- und ernstgenommen fühlten. Dabei gehe es nicht nur um Versachlichung und Aufzeigen falscher Erwartungen, sondern auch um klare Benennung von Fehlern und deren Korrektur.
Herzberg: „Dialog immunisiert auch vor dem Virus der Absolutsetzung von Einzelinteressen und kräftigt die Akzeptanz von Politik und Verwaltungshandeln. Allerdings: Corona hat auch eindrücklich gezeigt, dass die Akzeptanz der politischen Entscheidungen immer auch davon abhängt, wie deren verwaltungsmäßige Umsetzung konkret erlebt wird.“ In seinem Tätigkeitsbericht für 2020 informiert der Bürgerbeauftragte darüber, dass er in 779 Fällen um Unterstützung gebeten wurde. Wegen 16 pandemiebedingt ausgefallener Sprechtage seien dies 90 Anliegen weniger als im Vorjahr. Mit rund 60 Prozent war der Anteil der mündlich vorgetragenen Anliegen dennoch hoch, überwiegend nahm das Team des Bürgerbeauftragten die Anliegen telefonisch auf, nur rund 30 Prozent der mündlich vorgetragenen Anliegen konnten bei einem Sprechtag vorgebracht werden. Inhaltlich bildeten soziale Angelegenheiten mit rund 30 Prozent weiterhin den größten Anteil der Fälle. Häufig ging es hierbei um Fragen zum Thema Gesundheit, Anerkennung von Erwerbsunfähigkeit und Behinderung sowie um Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen. Fragen zur Grundsicherung und Rente machen rund die Hälfte der Anliegen aus dem Bereich Soziales aus. Auf den Bereich Soziales folgen Ordnungsrecht, Inneres und Verwaltung mit rund 20 Prozent sowie Bauen, Infrastruktur und Umwelt mit rund 17 Prozent der 2020 eingegangenen Anliegen.
803 Anliegen konnten 2020 abgeschlossen werden. Bei jedem fünften Fall konnte der Bürgerbeauftragte das Problem im Sinne des Bürgers lösen. Bei rund der Hälfte der Anliegen genügte den Bürgerinnen und Bürgern eine Information oder die verständliche Erläuterung der Rechtslage. Dazu Herzberg: „Wenn Bescheide mehrere Seiten lang sind und darin jeder Satz auf einen Paragraphen verweist, trägt das nicht gerade zur Akzeptanz des Verwaltungshandelns bei – auch wenn der Inhalt rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Verständlichkeit der Behördensprache bleibt ein Dauerbrenner.“ Rund 15 Prozent der Anliegen wurden direkt an die zuständige Stelle weitergeleitet bzw. den Bürgern wurde erläutert, an wen sie sich wenden können.
Der Jahresbericht informiert über ausgewählte Fallbeispiele ebenso wie über Gespräche und Konferenzen, an denen der Bürgerbeauftragte im vergangenen Jahr teilgenommen hat. Außerdem werden Problemfelder benannt, die Herzberg gegenüber dem Petitionsausschuss und anderen politischen Akteuren thematisiert hat. „Das Aufzeigen der Themen, bei denen politisches Handeln notwendig ist, sehe ich auch als eine meiner Aufgaben“, so Herzberg.