Der Bürgerbeauftragte übergibt seinen Tätigkeitsbericht für 2019 an den Thüringer Landtag
Gesellschaftliche Spaltungen ernst nehmen und im Dialog überwinden - Thüringer Bürgerbeauftragter übergibt seinen Tätigkeitsbericht für 2019 an den Thüringer Landtag
Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen, Dr. Kurt Herzberg, hat heute seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2019 an die Präsidentin des Thüringer Landtags, Birgit Keller, übergeben. Der Bericht gibt Auskunft über Fallzahlen und Ergebnisse, stellt Einzelfälle beispielhaft vor und informiert weiterführend über die Arbeit des Bürgerbeauftragten.
Anlässlich der Übergabe seines Berichts ging Herzberg auch auf die „Spaltungen in unserer Gesellschaft“ ein, die ihm in vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern begegne. Herzberg wörtlich: „Die Polarisierung nimmt auch in unserem Land zu. Sie findet nicht nur im Parlament, sondern auch in den Familien, im Verein oder im Freundeskreis statt. Die sozialen Medien verstärken den Prozess exponentiell. Mich besorgt diese Entwicklung, weil der politische Diskurs zu oft auf Freund- und Feindbilder reduziert wird und die dringend notwendige Versachlichung zu kurz kommt. Verschränkt mit diesem Prozess der Spaltung findet ein Ver-trauensverlust gegenüber den staatlichen Institutionen statt.“
In seinem Tätigkeitsbericht für 2019 informiert der Bürgerbeauftragte darüber, dass er in 869 Anliegen um Unterstützung gebeten wurde. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies erneut eine Steigerung (2018: 852). Fast 60 % der Anliegen wurden im direkten Gespräch bei Sprechtagen oder per Telefon vorgebracht.
Inhaltlich bilden soziale Angelegenheiten mit fast 30 Prozent weiterhin den größten Anteil der Fälle. Einen leichten Zuwachs verzeichnet das Sachgebiet Ordnungsrecht, Inneres und Verwaltung. 23,5 % aller eingegangenen Anliegen konnten diesem Bereich zugeordnet werden. Hier wurden z.B. Fragen und Probleme zum Fahrerlaubnisrecht, Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz oder auch zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr bearbeitet.
931 Anliegen wurden in 2019 abgeschlossen. Dabei konnte der Bürgerbeauftragte in 14,3 Prozent der Fälle das Problem im Sinne des Bürgers lösen. Hinzu kommen 21,2 Prozent, bei denen die erfragten Informationen gegeben werden konnten. Bei weiteren 15,9 Prozent wurde die Angelegenheit vom Bürgerbeauftragten aufge-nommen und entweder direkt an die zuständige Stelle weitergeleitet (8,7 Prozent) oder dem Bürger wurde die zuständige Stelle benannt, an die er sich dann selbst wenden konnte (7,2 Prozent). Somit haben in über 50 Prozent der Anliegen die Bürger die erwartete Unterstützung und Hilfe erfahren.
Bei knapp 36 Prozent der Anliegen konnte der Bürgerbeauftragte dem Problem nicht unmittelbar abhelfen. Er prüfte aber den Sachverhalt und erläuterte den Bürgerinnen und Bürgern das Handeln der Verwaltung. Herzberg dazu: „Auch wenn sich das Behördenhandeln als richtig darstellt, tragen mein unabhängiges Prüfen und die Erklärungen zum Verständnis bei den Bürgern bei – und nicht selten auch zur Akzeptanz des Verwaltungshandelns.“
Im dritten Hauptteil des Berichtes geht der Bürgerbeauftragte u.a. auf Problemfelder ein, die ihm im Berichtsjahr begegnet sind und die er gegenüber Regierung und Landtag thematisiert hat. Herzberg: „Hier sehe ich meine Aufgabe auch als Seismograph für die politischen Akteure.“
Der Bürgerbeauftragte fordert von Politik und Verwaltung mehr Dialog und Erklärung, um Vertrauensverlust und Empörung zu begegnen: „In Zeiten wachsender Unübersichtlichkeit braucht es dringender denn je die Bereitschaft von Politik und Verwaltung, Verfahren verständlich zu machen. Entscheidungen müssen auch anhand der ihnen zugrunde liegenden Wertgrundlagen - zumindest intellektuell - nachvollziehbar sein. Dies umso dringender, weil Verunsicherung und Vertrauensverlust gesellschaftlich ,ansteckend‘ sind. Meine Erfahrung ist: Nur im geduldigen Dialog kann Empörung zugunsten einer ‚Kultur des Verstehens‘ überwunden werden. Ich verstehe meinen Dienst im Sinne dieses Dialogs.“