Demokratie braucht Dialog auf Augenhöhe - Thüringer Bürgerbeauftragter hat heute seinen Tätigkeitsbericht für 2018 an den Thüringer Landtag übergeben
Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen, Dr. Kurt Herzberg, hat heute seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2018 an die Präsidentin des Thüringer Landtags, Birgit Diezel, übergeben. Der Bericht gibt statistisch Auskunft über Fallzahlen und Ergebnisse, stellt Einzelfälle beispielhaft vor und informiert weiterführend über die Arbeit des Bürgerbeauftragten.
2018 wurde der Bürgerbeauftragte in 852 Anliegen um Unterstützung gebeten. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung von 15 % (2017: 741). 2/3 der Anliegen wurde im direkten Gespräch bei Sprechtagen oder per Telefon vorgebracht. Inhaltlich bilden soziale Angelegenheiten mit 27,3 Prozent den größten Anteil der Fälle.
Herzberg wörtlich: „Die Palette der Themen reicht von den sogenannten Hartz-IV-Leistungen über die Grundsicherung im Alter, Fälle aus dem Schwerbehinderten-recht sowie Probleme mit Krankenkassen bis hin zu Anliegen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Gerade wenn Schicksalsschläge, Alter oder Krankheit die eigene Leistungsfähigkeit einschränken, erwarten die Menschen gesellschaftliche Solidarität. Und sie sind besonders enttäuscht, wenn Leistungen plötzlich an Bürokratie oder einer schwer durchschaubaren Regelungsdichte scheitern.“
Der stärkste Zuwachs von 9,6 Prozent auf 15,5 Prozent der Gesamtzahl der Fälle ist im Sachgebiet „Kommunales/Haushalt/Finanzen“ zu verzeichnen. Die Steigerungen fanden vor allem bei den Kommunalabgaben, insbesondere bei Anliegen zu Straßenausbaubeiträgen, statt. 769 Anliegen wurden in 2018 abgeschlossen. Dabei konnte der Bürgerbeauftragte bei 18,1 Prozent der Fälle das Problem im Sinne des Bürgers lösen. Hinzu kommen 23,8 Prozent, bei denen die erfragten Informationen gegeben werden konnten. Bei weiteren 16,8 Prozent wurde die Angelegenheit entweder vom Bürgerbeauftragten aufgenommen und direkt an die zuständige Stelle weitergeleitet (6,1 Prozent) oder dem Bürger wurde die zuständige Stelle benannt, an die er sich dann selbst wenden konnte (10,7 Prozent). Somit haben in fast 60 Prozent der Anliegen die Bürger die erwartete Unterstützung und Hilfe erfahren. Bei knapp 32 Prozent der Anliegen konnte der Bürgerbeauftragte dem Problem nicht unmittelbar abhelfen. Er prüfte aber den Sachverhalt und erläuterte den Bürgerinnen und Bürgern das Handeln der Verwaltung.
Anlässlich der Übergabe seines Berichts an den Landtag zieht der Bürgerbeauftragte folgendes Fazit: „Der Blick auf 2018 macht schon anhand der Zahlen deutlich, wie intensiv der Bürgerbeauftragte von den Thüringerinnen und Thüringern in Anspruch genommen wird. Intensiv sind aber auch die Erfahrungen der Menschen, die sich nicht selten ausgeliefert und hilflos gegenüber einer oft schwer zu verstehenden Verwaltung erleben. Gleichzeitig trüben die Eigendynamik und der Arbeitsdruck in den Verwaltungen den Blick auf die berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die diese manchmal nur ungeschickt oder laienhaft in den Amtsstuben vorbringen. Was bleibt, wenn der Dialog auf Augenhöhe nicht gelingt, ist die wachsende Entfremdung. Es ist eine Entfremdung zwischen Bürgern und ihrem Staat, die die parlamentarische Demokratie in ihrem Innersten betrifft und auch mich als Bürgerbeauftragten nicht unberührt lässt.“
Die Gesamtschau auf das Berichtsjahr lässt weitere grundsätzliche Probleme und Fragen erkennen:
1.
So nehmen (oft finanziell bedingt) die Kommunen die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge nur noch eingeschränkt wahr, was zunehmend als „Rückzug des Staates aus der Fläche“ wahrgenommen wird. (vgl. S. 100 ff.)
2.
Für die Betroffenen schwer wiegen die Probleme und Hürden, denen sich Ärztinnen und Ärzte aus Drittstaaten bei der Anerkennung ihrer Studienabschlüsse gegenüber sehen. Hier zeigten sich teilweise rechtswidrige Zustände in der Bearbeitung der Anträge, welche die Verfahren zu Lasten der Antragsteller deutlich erschwerten und verzögerten. Hier mahnte der Bürgerbeauftragte dringend Änderungen an (vgl. S. 58 ff. u. S. 107 ff.).
3.
Lange Gesetzgebungsverfahren führen zu Unsicherheiten bei Bürgerinnen und Bürgern. So wurden bereits umgesetzte Maßnahmen von geplanten Gesetzen teilweise nicht ausreichend kommuniziert und Bürger finden bei Nachfrage keine zuständigen Ansprechpartner. Auch das öffentlich breit diskutierte Thema Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ruft in Bürgeranliegen erkennbare Fallkonstellationen auf, die bei der geplanten Gesetzesänderung dringend Berücksichtigung finden sollten (vgl. S. 114 ff.).
Herzberg wörtlich: „Mir geht es nicht darum, das Verwaltungshandeln in Thüringen schlecht zu reden oder allgemeine Vorurteile über Amtshandeln und Bürokratie zu bedienen. Im Gegenteil – ich sehe meine Aufgabe auch darin, durch sachliche Aufklärung Behörden vor falschen oder überhöhten Erwartungen zu schützen. Dennoch werbe ich für eine Kultur des Hinhörens und des Dialoges auf Augenhöhe zwischen Bürgern und Verwaltung. Hierzu gehört ein gutes Beschwerdemanagement, bei dem auch Schwachstellen und Fehler benannt werden. Nur dann können Verbesserungen angestoßen werden.“