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  • Dr. K. Herzberg an seinem Schreibtisch

    Dr. Kurt Herzberg, Bürgerbeauftragter des Freistaats Thüringen

    Foto: V. Hielscher
  • Kind sitzt auf dem Fußweg, Kopf gebeugt, Schulranzen steht daneben

    Unterrichtsausfall - auch in Thüringen ein großes Problem

    Foto: Anne Garti/pixelio.de
  • Auto liegt auf Dach, Feuerwehr und Krankenwagen stehen daneben

    Ehrung für Lebensretter

    Foto: Erich Kasten
  • Der Bürgerbeauftragte im Gespräch

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Verheddert im Dickicht der Vorschriften europäischer Agrarförderung

Ein Tierhalter wusste nicht mehr weiter und wandte sich in seiner Verzweiflung an den Bürgerbeauftragten. Hintergrund seines Kummers: Er hatte vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) mehrere Bescheide erhalten, mit denen Agrarsubventionen zurückgefordert wurden. Die Bescheide selbst datierten von Anfang 2020 und hatten ihre Ursache in Gegebenheiten aus dem Jahre 2019. Der Bürger hatte zwar jeweils Widerspruch erhoben, seine Einwände waren jedoch sämtlich durch Widerspruchsbescheid zurückgewiesen worden, weshalb er jetzt vor der Frage stand, ob er bei Gericht Klage erheben sollte.

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Lösungsansatz und Ergebnis

Die Arbeit des Bürgerbeauftragten wurde dadurch erschwert, dass der Bürger keinen rechten Überblick über die Angelegenheit zu haben schien und von den bürokratischen Anforderungen in der Sache auch überfordert wirkte. Deshalb war es für den Bürgerbeauftragten zunächst schwierig, die entscheidenden Sachverhaltsumstände aufzuklären und die nötigen Informationen „aus dem Bürger herauszubekommen“. Der Mann fühlte sich zudem „von aller Welt verlassen“ und zutiefst ungerecht behandelt und reagierte daher mit großer Verbitterung gegen alle Beteiligten.

Als der Bürgerbeauftragte endlich die maßgeblichen Unterlagen vorlagen, rundete sich das Bild in der Sache: die Behörde ging davon aus, dass der Tierhalter bestimmte in Deutschland geltende Ordnungsvorschriften in Bezug auf seine Tierhaltung (sog. Cross-Compliance-Vorschriften) verletzt hatte. In einem solchen Fall können gemäß Art. 91 Abs. 1 der EU-Verordnung Nr. 1306/2013 ausgereichte Beihilfen/Fördermittel zurückgefordert werden. Genau das war mit den Bescheiden des TLLLR erfolgt.

Hintergrund war folgender:

Mit Inkrafttreten der geänderten Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) am 14. Juli 2007 ist jeder Schaf- und Ziegenhalter ab dem 01.01.2008 verpflichtet, Tierzugänge zu melden. Darüber hinaus sind mit der Neufassung der ViehVerkV die Kriterien der Bestandserfassung für Schafe und Ziegen festgelegt worden. Die Meldungen für ganz Deutschland werden in einer zentralen Datenbank, der HI – Tier, unter dem Bereich Schaf- und Ziegendatenbank erfasst. Für jedes Bundesland ist unmittelbar eine Regionalstelle (RS) zuständig. Ziel dieser Datenbank ist es, die Effektivität der Tierseuchenbekämpfung zu erhöhen. Denn im Falle eines Seuchenausbruches muss rasch und umsichtig gehandelt werden. Die Datenbankinformationen erleichtern dann eine schnelle Abklärung von Infektionswegen und Infektionsursachen. Nach § 26 Abs. 3 der Vieh-Verkehrs-Verordnung ist ein Schaf-/Ziegenhalter deshalb verpflichtet, zum Stichtag 1. Januar eines jeden Jahres seinen Bestand der zuständigen Behörde innerhalb von 2 Wochen nach dem Stichtag anzuzeigen.

Im Jahre 2019 hatte der Tierhalter diese Meldung auch fristgerecht vorgenommen, weshalb in der Datenbank HI-Tier für ihn mit Geltung vom 03.01.2019 der Betriebstyp „Halter“ eingetragen wurde. Soweit, so gut. Konsequenterweise verlangt die ViehVerkV aber auch, dass ein Tierhalter es anzuzeigen hat, wenn er seine Tierhaltung aufgibt (§ 26 Abs. 1 ViehVerkV). Da eine solche Abmeldung im konkreten Fall nicht erfolgt war, ging die zuständige Kontrollbehörde, das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt (folgerichtig!) davon aus, dass der Tierhalter an dem von ihm gemeldeten Ort auch tatsächlich Tiere hält.

Durch europäische Vorschriften ist nun jeder Tierhalter zusätzlich dazu verpflichtet, ein stets auf dem neuesten Stand zu haltendes Bestandsregister über seine Tiere zu führen (Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 21/2004). Als dann im Dezember 2019 bei dem Bürger eine – zuvor angekündigte – Vor-Ort-Kontrolle stattfand, konnte er jedoch kein solches Bestandsregister vorlegen. Hinzu kam, dass Dritte der Behörde im Jahr 2019 die Übernahme von Tieren gemeldet hatten, die laut der Meldung aus dem Betrieb des Bürgers stammten. Da es nun aber einerseits nicht für alle seine Tiere eine solche Übernahmeerklärung gab und andererseits der Verbleib der restlichen Tiere von ihm nicht belegt werden konnte, war für die Behörde nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass sich an dem von dem Bürger gemeldeten Standort keine Tiere mehr befinden/befanden. Obwohl es aus Gründen der Tierseuchenvermeidung und des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier nötig und auch vorgeschrieben ist, konnten die o.g. Tierbewegungen im gegebenen Fall aber nicht einwandfrei nachvollzogen werden, und zwar weder aus der HI-Tier-Datenbank noch aus einem Bestandsregister.

Eben darin jedoch liegt ein Verstoß gegen die eingangs genannten Cross-Compliance-Vorschriften. Dies mit der Folge, dass ausgereichte Beihilfen/Fördermittel zurückgefordert werden konnten. Dahinter steht die Überlegung, dass nur derjenige europäische Fördermittel erhalten soll, der sich an die für sein Metier geltenden rechtlichen Vorgaben hält.

Dies erscheint in sich schlüssig, einleuchtend und vom Sinn und Zweck der Regelungen her auch nachvollziehbar, ändert aber nichts daran, dass Tierhalter sich mitunter einem fast undurchdringlich erscheinenden Wust an nationalen und europarechtlichen Vorschriften gegenübersehen. So werden Tierhaltung und Landwirtschaft zu einem bürokratisch aufwändigen Unternehmen.

Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.

Stand: 2021

 

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