Finanzielle Unterstützung für einen Jugendlichen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche – Bürgerbeauftragter hilft bei der Lösungssuche!
Eine Bürgerin, die ➤ ALG II-Leistungen bezog, lebte zusammen mit ihrem Sohn (19 Jahre) und ihrer Tochter (17 Jahre) zunächst in einer Bedarfsgemeinschaft. Seit Sommer 2014 besuchte ihr Sohn nun eine Fachoberschule mit dem Ziel, das Fachabitur abzulegen, und hatte sich eine eigene Wohnung genommen. Trotz seiner hohen Motivation benötigte er jedoch auf Grund einer Teil-Leistungsschwäche eine besondere Lernförderung. Denn er litt an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS = Legasthenie). LRS ist eine isolierte Teilleistungsschwäche, die sich allein beim Schriftsprachenerwerb bemerkbar macht. Sie hängt nicht mit der Allgemeinbildung zusammen, sondern tritt auch bei Normal- und Hochbegabten auf, und kann durch ein angemessenes Lese- und Rechtschreibtraining gemildert werden.
Die Mutter sah sich jedoch nicht in der Lage, ihren Sohn beim Erhalt der benötigten Förderung ideell und finanziell zu unterstützen, da sie in den vergangenen Jahren sehr schwer an einer Krebserkrankung gelitten hatte und ihr deshalb die mentale und physische Kraft fehlte, um Unterstützungsleistungen zu geben. Deshalb stellte sie zur Finanzierung der besonderen Lernförderung beim zuständigen Landratsamt (LRA) einen Antrag auf Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe gem. §§ 19 Abs. 2, 28 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II.
➤ Leistungen für Bildung und Teilhabe (auch Bildungspaket oder Bildungs- und Teilhabepaket genannt) sind Leistungen, die im Rahmen der ➤ Grundsicherung für Arbeitssuchende oder der ➤ Sozialhilfe hilfebedürftigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf bzw. den Regelbedarfsstufen erbracht werden. Die Bildungs- und Teilhabeleistungen müssen gesondert beantragt werden (§ 37 SGB II).
Das LRA stellte jedoch eine Ablehnung des Antrages in Aussicht, da der Jugendliche eine eigene Wohnung habe und Schüler-BAFöG erhalte. Dieser Stand der Dinge mochte formal-juristisch zunächst korrekt sein, war für die Familie aber dennoch höchst unbefriedigend, da die Einzelfallsituation zu wenig Berücksichtigung gefunden zu haben schien. Diese Wahrnehmung führte die Bürgerin denn auch in die Sprechstunde des Bürgerbeauftragten, den sie um Hilfe bat.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Der Bürgerbeauftragte setzte sich umgehend mit dem LRA in Verbindung und erörterte mit dem zuständigen Fachamt konstruktive Lösungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Hierbei konnte herausgearbeitet werden, dass im gegebenen Fall auch eine Kostenübernahme auf der Grundlage des Achten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VIII -, das die Kinder- und Jugendhilfe betrifft, in Betracht kommen könnte, und zwar konkret im Zuge der Gewährung von ➤ Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Diese Leistung ist jedoch, wie andere ➤ Sozialleistungen auch, an spezielle Anspruchsvoraussetzungen gebunden. Ob diese hier im konkreten Einzelfall vorlagen, vermochte der Bürgerbeauftragte nicht unmittelbar selbst zu beurteilen. Deshalb vermittelte er der Bürgerin und dem Jugendlichen umgehend einen Gesprächstermin mit der zuständigen Bearbeiterin im Jugendamt.
Der Fall macht erneut deutlich, dass die Einbeziehung eines sach- und rechtskundigen Dritten häufig zu einer Vergrößerung der Lösungsoptionen führt. Zwar werden die Sozialleistungsträger vom Gesetzgeber durch die §§ 13 bis 15 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – SGB I – allgemein zur Aufklärung, zur Auskunft und zur Beratung gegenüber dem Bürger verpflichtet. Die praktische Umsetzung dieser Verpflichtung gestaltet sich in der täglichen Praxis der Behörden, die Sozialleistungen gewähren, aber zunehmend schwieriger. Denn auch sie müssen mit immer weniger Personal immer mehr Aufgaben bewältigen, so dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ‚Einzelfallarbeit‘, die sie eigentlich gerne leisten möchten, oftmals nicht mehr in der gewünschten Intensität und Notwendigkeit realisieren können.
Hier hilft dann nicht selten ein Anstoß von außen – im gegebenen Fall durch den Bürgerbeauftragten, der den Betroffenen Perspektiven eröffnen konnte.
(Stand: Januar 2016)