Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige nach § 45b SGB XI
Alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 1 bis 5 haben einen Anspruch auf Entlastungsleistungen, wenn sie zu Hause gepflegt werden. Den sogenannten Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich gibt es zusätzlich zu allen anderen Leistungen der Pflegeversicherung. Er dient zum Beispiel dazu, Unterstützung im Haushalt, bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben oder für die Teilnahme an Betreuungsangeboten zu finanzieren.
Aufgrund der Regelung in § 150 Abs. 5 b SGB XI können Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 den Entlastungsbetrag auch für andere Hilfen im Wege der Kostenerstattung einsetzen, wenn dies zur Überwindung von Versorgungsengpässen geschieht, die infolge der Corona-Pandemie entstanden sind. Diese Erweiterung gilt noch bis zum 30. April 2023.
An den Nachweis gegenüber der Pflegekasse zur Erstattung der Kosten sollen die Pflegekassen im Interesse einer zügigen und unbürokratischen Abwicklung keine überhöhten Anforderungen stellen. So steht es in der Gesetzbegründung[1] und in der Empfehlung des GKV-Spitzenverbandes[2].
Danach hätte man davon ausgehen können, dass die Erstattung der 125 € des Entlastungbetrages schnell und unkompliziert erfolgt. Leider war das nicht in allen Fällen so:
Ein Bürger, der den Entlastungsbetrag in Anspruch nehmen wollte, aber keinen annahmebereiten Pflegedienst fand, hatte dafür die Hilfe einer Privatperson in Anspruch genommen. Gegenüber der Krankenkasse wollte er sodann die Entlastungsleistung für die Hilfe der Privatperson abrechnen.
Daraufhin teilte ihm die Krankenkasse in einem Schreiben mit, dass die Abrechnung der Leistung nur dann möglich sei, wenn es sich um einen durch das Corona-Virus verursachten Versorgungsengpass handele. Diesen Versorgungsengpass sollte der Bürger nun nachweisen, z. B. durch Vorlage mehrerer Ablehnungsschreiben von Pflegediensten.
Diesen Nachweis konnte der Mann aber nicht erbringen, da keiner der von ihm mündlich angefragten Pflegedienste die Zeit aufbringen wollte und die Kapazität hatte ihm die Ablehnung schriftlich zu geben. Die Krankenkasse jedoch beharrte weiter auf der Vorlage der Nachweise.
[1] Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drucksache 19/18967)
[2] Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes zum Einsatz des Entlastungsbetrages für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 zur Überwindung von infolge der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Versorgungsengpässen in der häuslichen Pflege nach § 150 Abs. 5b Satz 3 SGB XI vom 29.05.2020 in der Fassung vom 14.07.2021
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Der Bürgerbeauftragte, an den sich der Bürger mit der Bitte um Hilfe gewandt hatte, war sehr erstaunt über die aus seiner Sicht doch sehr bürgerunfreundliche und bürokratische Forderung der Krankenkasse. Er sah darin den Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung, nämlich eine flexible Sicherstellung der Versorgung der Pflegebedürftigen, unterlaufen. Im Sinne einer schnellen und unkomplizierten Lösungsfindung wandte er sich daher direkt an die Krankenkasse und teilte seine – an der Gesetzesbegründung und an den Empfehlungen der GKV angelehnte – Sichtweise mit.
Die Krankenkasse prüfte daraufhin den Vorgang erneut, meldete sich umgehend und entschuldigend beim Bürgerbeauftragten und zahlte dem Bürger den Entlastungsbetrag zeitnah und unkompliziert aus. „Warum nicht gleich so?“ fragt sich nicht nur der Bürgerbeauftragte.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
November 2022