Erwerb einer Grabstelle auf kommunalem Friedhof – alles pure Geldschneiderei?
Den Bürgerbeauftragten hatte eine E-Mail erreicht – mit ziemlich ungehaltenem Text:
„Vor 3 Jahren haben wir ein Urnengrab (4 Urnen) für 25 Jahre kaufen müssen!!! Obwohl wir ein großes Grundstück haben. Die Mindestliegezeit beträgt 20 Jahre, obwohl jeder weiß, dass dies bei einer kompostierbaren Urne schon völlig überzogen ist. 22 Jahre für die letzte Urne sollten also ausreichend sein. Nachdem nun eine zweite Urne bestattet werden muss, zwingt uns die Friedhofsverwaltung, das Urnengrab um nochmals 3 Jahre zu verlängern. (…)“
Dies empfand der Absender der E-Mail als (Zitat) „unsägliche Abzocke und Bereicherung an Trauernden“ und forderte vom Bürgerbeauftragten dringend Unterstützung dabei, sich zur Wehr zu setzen.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Der Bürgerbeauftragte prüfte den Sachverhalt, konnte aber nichts Kritikwürdiges am Vorgehen der Friedhofsverwaltung feststellen. Zunächst einmal gilt der sog. Friedhofszwang auch für Urnen. Man darf sie also nicht auf dem eigenen Grundstück vergraben. Die Anlage und Unterhaltung von Friedhöfen ist eine gemeindliche Pflichtaufgabe (§ 2 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung, § 25 Abs. 1 Thüringer Bestattungsgesetz). § 33 des Thüringer Bestattungsgesetzes legt im Hinblick darauf fest, dass der Friedhofsträger die Ordnung, Benutzung und Gestaltung der Friedhöfe sowie die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten auf dem Friedhof durch eine Satzung (Friedhofsordnung) regeln kann. Satzungen sind sog. Ortsrecht, das die jeweilige Gemeinde für ihr Gemeindegebiet selbst festlegen kann. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung hat sie – im Rahmen des geltenden höherrangigen Rechts – einen Gestaltungsspielraum.
Das der Satzung insoweit vorgehende Thüringer Bestattungsgesetz legt aber in § 31 Abs. 1 fest, dass die Ruhezeit bei Erdbestattungen mindestens 20 Jahre, bei Urnenbeisetzungen mindestens 15 Jahre beträgt. Der Friedhofsträger kann längere Ruhezeiten bestimmen und die Ruhezeit aus religiösen Gründen auf Dauer festlegen. Er hat eine längere Ruhezeit zu bestimmen, wenn dies aus Gründen der Bodenbeschaffenheit notwendig ist. Weiter heißt es in der Norm des Bestattungsgesetzes: Ein Grab darf nur neu belegt oder anderweitig verwendet werden, wenn die nach Absatz 1 bestimmte Ruhezeit abgelaufen ist.
Die hier maßgebliche kommunale Friedhofssatzung bestimmte als Ruhezeit bei Urnenbeisetzungen aber 25 Jahre, nicht – wie vom Bürger benannt – 20 Jahre. Die Ruhezeit ist der Zeitraum, der als Mindestfrist das Vergehen der menschlichen Überreste gewährleistet. Es kommt also nicht auf das Vergehen der – ggf. kompostierbaren – Urne an, sondern darauf, dass ein Vergehen der menschlichen Überreste sichergestellt ist.
Von der Ruhezeit ist die Nutzungszeit für eine Grabstelle zu unterscheiden. Die jeweilige Grabfläche ist und bleibt Eigentum des Friedhofsträgers. Ein Bestattungspflichtiger muss deshalb ein Nutzungsrecht daran erwerben. Die Nutzungszeit ist diejenige Zeit, für die ein Berechtigter das Nutzungsrecht an einer Grabstelle erwirbt. Nach der hier maßgeblichen kommunalen Satzung betrug die Nutzungszeit für Urnenwahlgräber jedoch 25 Jahre. Weiter ist festgelegt, dass in Urnenwahlgräbern bis zu vier Urnen unter Beachtung der Ruhezeit beigesetzt werden können und während der Nutzungszeit eine Bestattung/Beisetzung nur erfolgen darf, wenn die Ruhezeit die Nutzungszeit nicht überschreitet oder ein Nutzungsrecht mindestens für die Zeit bis zum Ablauf der Ruhezeit verlängert worden ist.
Genau hierauf kam es im Sachverhalt an: Wenn also vor drei Jahren das Nutzungsrecht an einem 4er-Urnengrab erworben wurde, folgte daraus eine Nutzungsmöglichkeit für – von heute an gerechnet – noch 22 Jahre. Da die Ruhezeit bei Urnenbeisetzungen aber 25 Jahre beträgt, musste das laufende Nutzungsrecht aktuell folglich um die Zeit, die die noch verbleibende Nutzungszeit (22 Jahre) gemessen an der nun neu begonnenen Ruhezeit für die jetzige Urne (25 Jahre) zu kurz ist (= 3 Jahre), verlängert werden.
Dazu, längere Ruhezeiten zu bestimmen als die vom Thüringer Bestattungsgesetz vorgesehenen Mindestruhezeiten, ist die Kommune laut Bestattungsgesetz des Landes ausdrücklich befugt. Die zu einer solchen Entscheidung führenden sachlichen Erwägungen der Kommune können vielschichtig sein. So kann z.B. eine Vereinheitlichung der Ruhezeiten von Erdbestattungen und Urnenbeisetzungen angestrebt werden. Oder auch, dass angesichts zunehmend verwirklichter alternativer Bestattungsformen (Seebestattung, Bestattung in einem Friedwald) die Belegung und damit der Bestand des gemeindlichen Friedhofs als solcher gesichert werden soll.
Eine Einwirkung des Bürgerbeauftragten auf die Gemeinde mit dem Ziel, die in der Friedhofssatzung festgelegten Zeiten auf die im Thüringer Bestattungsgesetz benannten Mindestruhezeiten herabzusetzen, war rechtlich nicht statthaft. Denn die Kommune ist auf Grund der ihr nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes und Art. 91 Abs. 1, 2 der Thüringer Landesverfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ausdrücklich befugt, im Rahmen von Recht und Gesetz (hier: des Thüringer Bestattungsgesetzes) eigene, von ihr für richtig und angemessen gehaltene Regelungen zur Ruhezeit zu treffen. In diese Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit dürfen andere staatliche Stellen und auch der Bürgerbeauftragte nicht eingreifen.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2/2023