Warum soll ich Straßenausbaubeträge zahlen, obwohl bislang nur ein Teil der Straße ausgebaut wurde?
Ein Bürger hatte sich mit Fragen zu von ihm geforderten Straßenausbaubeiträgen an den Bürgerbeauftragten gewandt. Insbesondere war er darüber verwundert, dass hier ein aus seiner Sicht noch nicht fertiggestellter Straßenausbau über Beiträge abgerechnet werden sollte.
In 2017 hatte die Stadt einen Teil der Straße, in der der Bürger wohnt, grundhaft ausgebaut und hierfür im Jahr 2018 Straßenausbaubeiträge von denjenigen erhoben, deren Grundstücke an dem ausgebauten Bereich anliegen. Gegen diese Beitragserhebung hatte der Bürger Widerspruch eingelegt. Er führte dabei unter anderem aus, dass doch bislang nur ein Teil der Straße ausgebaut und die Gesamtmaßnahme noch nicht fertiggestellt worden sei. Die Stadt hielt jedoch an der erfolgten Beitragserhebung fest, so dass die Widerspruchsangelegenheit bereits zur nächsthöheren Behörde, der Kommunalaufsicht beim Landratsamt, gelangt war.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Die Kommunalaufsicht sah die Beitragserhebung ebenfalls kritisch, da fraglich war, ob die stattgefundenen Ausbaumaßnahmen wirklich so hätten abgerechnet werden dürfen. Hintergrund: Eine Abrechnung von derlei Maßnahmen darf erst dann erfolgen, wenn die Maßnahme entweder in Gänze komplett oder aber abgegrenzte und abgrenzbare Teilabschnitte (Teilstrecken) fertiggestellt sind, wobei es bei der Abrechnung von einem solchen Teilstreckenausbau eines eigenen Beschlusses des Stadtrates zur Abschnittsbildung bedarf.
Hier ging die Kommune davon aus, dass der ausgebaute Teil der Straße eine eigene Anlage darstellt. Das wurde von der Kommunalaufsicht so nicht bestätigt, denn bei Anwendung der sog. „natürlichen Betrachtungsweise“ bestanden Zweifel daran, dass es sich bei der ausgebauten Teilstrecke um eine beitragsrechtlich selbstständige Anlage handelt.
Da der Bürgerbeauftragte im Ergebnis seiner Recherchen ebenfalls Zweifel an der Beitragserhebung hatte und die Kommunikation zwischen Stadt und Kommunalaufsicht mittlerweile festgefahren war, lud der Bürgerbeauftragte alle Beteiligten zu einem Ortstermin ein, was insbesondere von der Kommunalaufsicht ausdrücklich begrüßt wurde.
Hierbei wurde deutlich sichtbar, dass die Stadt bislang tatsächlich lediglich einen „Abschnitt“ der Straße ausgebaut hatte und die Anlage selbst über den ausgebauten Teil hinausgeht. Da die Stadt aber keinen Beschluss zur sog. Abschnittsbildung gefasst hatte und der bislang noch nicht ausgebaute Teil der Straße ebenfalls baufällig war, stand die hier erfolgte Beitragserhebung in Zweifel.
Nach Erörterung verschiedener Lösungsoptionen entschied sich die Stadt nach Abstimmung mit der Kommunalaufsicht dafür, einen Abschnitt im Umfang des bislang ausgebauten Teils der Straße zu bilden. Der hierfür erforderliche Abschnittsbildungsbeschluss wurde daraufhin vom Stadtrat gefasst.
Dies hatte dann aber eine weitere interessante Folge: Eine Beitragserhebung ist erst und nur dann möglich, wenn die sog. sachliche Beitragspflicht gegeben ist. Diese Beitragspflicht entsteht u.a. aber erst, sobald die Maßnahme abgeschlossen ist. Die „Abschluss“ der Maßnahme konnte nun aber erst ab Wirksamkeit des Abschnittsbildungsbeschlusses, also nach dem 31.12.2018 angenommen werden. Da die Straßenausbaubeiträge in Thüringen nun aber zum 1.1.2019 abgeschafft worden waren, war eine Beitragserhebung für die hier in Rede stehende Maßnahme nicht mehr möglich! Deshalb wurden bereits erlassene Beitragsbescheide aufgehoben und die Stadt beantragte beim Freistaat Thüringen eine Erstattung der bislang beitragsrelevanten Baukosten.
Dem Anliegen des Bürgers konnte aufgrund der konkreten Umstände in diesem Einzelfall somit in vollem Umfang entsprochen werden.
Sollten auch Sie Fragen zu einer Ihnen gegenüber erfolgten Beitragserhebung haben, können Sie sich gerne mit einem Anliegen an den Bürgerbeauftragten wenden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.