Aufwandsentschädigung für vom Amtsgericht bestellte ehrenamtliche Betreuer bei ALG-II-Bezug nur teilweise anrechnungsfrei
Thüringer Bürgerbeauftragter befürchtet negative Auswirkungen eines aktuellen Urteils des Bundessozialgerichts.
Mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.08.2017 (B 4 AS 9/16 R) wurde eine Frage, die für viele vom Amtsgericht bestellte ehrenamtlich tätige Betreuer wichtig ist, höchstrichterlich entschieden: Die vom Gericht gezahlte Aufwandsentschädigung in Höhe von 399 EUR im Jahr wird bei Betreuern, die SGB-II-Leistungen erhalten, als Einkommen angerechnet. Das hat zu Folge, dass die Betreuer für den entsprechenden Monat vom Jobcenter weniger Geld erhalten.
Denn nach der Rechtsprechung des BSG ist die Aufwandsentschädigung, die pauschal in einer Summe für das ganze Jahr rückwirkend gezahlt wird, entsprechend dem „Monatsprinzip“ zu bereinigen. Das heißt praktisch, dass nur in dem Monat, in dem das Geld zufließt, pauschal 200 EUR anrechnungsfrei bleiben, der darüber hinausgehende Betrag jedoch bedarfsmindernd als Einkommen angerechnet wird.
Der Thüringer Bürgerbeauftragte, Dr. Kurt Herzberg, sieht dieses Urteil mit großer Sorge: „Gerade die ehrenamtliche Tätigkeit als Betreuer, die meist mit viel persönlichem und mitmenschlichen Engagement verbunden ist, sollte Wertschätzung erfahren. Unbürokratische Lösungen für eine als Auslagenersatz gedachte Leistung sind dringend nötig. Ich hoffe, dass der Gesetzgeber hier schnellstmöglich nachsteuert und die vollständige Anrechnungsfreiheit gesetzlich regelt.“
Ehrenamtlichen Betreuern empfiehlt der Bürgerbeauftragte, nunmehr detaillierte Einzelnachweise (Tag des Besuches, Fahrtkosten, geführte Telefonate, Portoquittungen mit Angabe des Adressaten usw.) über entstandene Aufwendungen zu führen und einen Ersatz von Aufwendungen auf der Grundlage von § 1835 BGB anzustreben. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Ansprüche auf Ersatz der einzelnen Aufwendungen erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 15 Monaten nach ihrer Entstehung gegenüber dem Betroffenen bzw. dem Betreuungsgericht geltend gemacht werden.
Weitere Erläuterungen:
Grundsätzlich wird eine ehrenamtliche Betreuung unentgeltlich geführt. Den Betreuern können jedoch Auslagen, die ihnen durch die Wahrnehmung dieses Amtes entstehen, erstattet werden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 1835 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach beträgt die Aufwandsentschädigung (z. B. für Fahrkosten, Porto, Telefonate, Kopien) aktuell pauschal 399 EUR Betreuungsjahr (nicht identisch mit dem Kalenderjahr). Bei Geltendmachung dieses Betrages müssen die Betreuer keinen Nachweis durch Vorlage der Belege führen. Die Erstattung erfolgt jährlich auf formlosen Antrag, erstmals ein Jahr nach der Betreuerbestellung.
Problematisch ist diese einmalige Auszahlung im Kalenderjahr jedoch in den Fällen, in denen ein ehrenamtlicher Betreuer Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) erhält. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang diese Aufwandsentschädigung in dem Monat der Auszahlung (= Zuflussmonat) als Einkommen und damit bedarfsmindernd berücksichtigt werden muss. Gerade der Personenkreis der Leistungsbezieher nach SGB II sollte daher detaillierte Aufstellungen über tatsächlich entstandene Kosten führen, um diese dann geltend machen zu können.
Bislang konnte der Bürgerbeauftragte Bürger mit einschlägigen Anliegen auf das Urteil des SG Cottbus vom 20.08.2014, Az. S 2 AS 3428/12, verweisen: Danach war die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuer nicht als Einkommen zu berücksichtigen und damit anrechnungsfrei (vgl. https://www.buergerbeauftragter-thueringen.de/aus-meiner-arbeit/fallbeispiele/soziales-familie/kann-eine-aufwandsentschaedigung-fuer-vom-gericht-bestellte-ehrenamtliche-betreuer-auf-alg-ii-leistungen-angerechnet-werden/).
Seine anders lautende Entscheidung hat das BSG auf folgende Erwägungen gestützt:
- Die Aufwandentschädigungen gehörten zu den zu berücksichtigenden Einnahmen;
bei steuerfreien Einnahmen stehe den ehrenamtlichen Betreuern ein monatlicher Grundfreibetrag in Höhe von 200 EUR zur Verfügung;
da § 1835a Abs. 2 BGB zwingend eine jährliche Zahlung der Pauschale vorschreibt, greife für ALG-2-Bezieher das sogenannte Monatsprinzip. Das heißt, dass die Zahlung für das gesamte Jahr wie eine Zahlung für diesen einen Monat betrachtet wird und somit bedarfsmindernd angerechnet werden muss;
nur der Gesetzgeber könne hier eine Änderung herbeiführen, indem er an der Schnittstelle von Betreuungs- und Steuerrecht entweder das dortige Jahresprinzip (partiell) aufhebt oder im Bereich des SGB II eine (partielle) Abweichung vom Monatsprinzip regelt.